Heintel, Erich (29.03.1912-25.11.2000; Philosophie) (29.03.1912-25.11.2000) (Person\H)

 

Grunddaten

ThesaurusPerson
BezeichnungHeintel, Erich (29.03.1912-25.11.2000; Philosophie)
Beschreibung
Quelle
 

Zusatz-Infos

Geburtsdatum:29.03.1912
Geburtsort:Wien
Todesdatum:25.11.2000
Todesort:Schneeberg (Gemeinde Kirchschlag, NÖ)
Fach/Beruf:Philosophie
Bemerkung:1. Persönliche Daten

2. Laufbahn und Wirken

3. Philosophische Positionen

4. Werke


1. Persönliche Daten:

Erich Heintel wurde am 29. März 1912 als zweites Kind des Kaufmanns Rudolf Heintel und seiner Frau Luise, geb. Kästner, in Wien Hernals geboren. Nach dem Besuch der Evangelischen Privatvolksschule und des RG 17 studierte er Philosophie an der Universität Wien und promovierte 1936 mit der Arbeit "Wirklichkeit, Wahrheit und Wert bei Nietzsche". Während der Schul- und Universitätsjahre bis 1952 war er auch im väterlichen Betrieb für Ärzte- und Krankenhausbedarf tätig.
1939-1982 verheiratet mit Margarete, geb. Weininger. Vier Kinder: der Philosoph Peter Heintel (1940), Irmtraut (1942), Brigitte (1944) und Guido (1946).
1939-1943 Einsatz beim Heerespsychologischen Dienst in Wiesbaden, dann unter anderem als Funker bis Kriegsende in Wien.
1943-1948 Evakuierung der Familie, zuletzt nach Mühldorf bei Spitz/Donau. Seither bestand E. Heintels enge Verbindung zum Waldviertel (Zweitwohnsitz in Ottenschlag, später in Schneeberg, Gemeinde Kirchschlag).
Von 1949 an große Schaffensperiode bis weit über die Emeritierung (1982) hinaus. E. Heintel, Mitglied des Rotary-Clubs Wien, pendelte immer wieder zwischen Wien und dem Waldviertel, wo auch die Manuskripte zu seinen Werken entstanden. Dort konnte er auch seinem Hobby nachgehen: Seit seiner Maturarabeit über Pilze (1930), die er auch selbst fotografiert hatte (vgl. Sign. 131.88.01.01), war er ein begeisterter Pilzesammler und später auch Mitglied der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft.
1983 missglückte Hüftoperation, die E. Heintels Mobilität und Lebensqualität immer mehr einschränkte.
1984 bis zu seinem Tod am 25.11.2000 zweite Ehe mit Waltraud, geb. Sammet.


2. Laufbahn und Wirken:

1936 bis 1939 Assistent bei Robert Reininger, 1939 Habilitation mit "Nietzsches 'System' in seinen Grundbegriffen" und Venia legendi für das Gesamtgebiet der Philosophie.
Ab 1940 Lehrtätigkeit an der Universität Wien, von der er wegen seiner Mitgliedschaft bei der NSDAP suspendiert wurde. Nach der Rehabilitierung 1949 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit in vollem Umfang. Diese beinhaltete alle Themen der Fundamentalphilosophie, vor allem die grundlegende Einführung in die Philosophie, Philosophiegeschichte von Platon und Aristoteles über Augustinus und Thomas bis Leibniz, die Positionen der Vertreter des Deutschen Idealismus sowie die Sprachphilosophie. Sein besonderes Interesse galt aber auch dem Zusammenhang von Philosophie und Weltliteratur sowie der Religionsphilosophie und der Theologie. 1952 wurde E. Heintel zum außerordentlichen, 1960 zum ordentlichen Professor ernannt und bildete mit zahlreichen Assistenten Generationen von Studierenden aus und regte sie in vielen Diskussionen mit seinem scharfen Geist, seinem Witz und Humor zu eigenständigem Denken an.
Vorlesungstätigkeit über seine Emeritierung 1982 hinaus bis 1997.
Auf Initiative und mit der finanziellen Unterstützung seines Schülers Georg Mautner-Markhof gründete E. Heintel im Jahr 1965 den "Dr. Erich Heintel-Fonds zur Förderung der philosophischen Forschung", der bis ins Jahr 2003 bestand. Die Spendengelder eröffneten ihm die Möglichkeit, wissenschaftliche Projekte zu unterstützen und Publikationen, vor allem die seiner Schüler, zu finanzieren.
1965-1982 Herausgeber der Reihe "Überlieferung und Aufgabe" in 22 Bänden und seit 1968 Gründer und Herausgeber des bis heute erscheinenden Wiener Jahrbuchs für Philosophie.
Seine vielfältigen Interessen führten zu regem wissenschaftlichen Austausch vor allem mit Juristen, Theologen und Biologen. Ab 1968 organisierte E. Heintel interdisziplinäre/interfakultäre Lehrveranstaltungen, die abwechselnd an der Universität und im Bildungshaus des Stiftes Zwettl abgehalten und zu einer Jahrzehnte währenden Tradition wurden. E. Heintel war mit dem damaligen Abt Ferdinand Gießauf befreundet und verlegte daher auch immer wieder Veranstaltungen und Tagungen nach Stift Zwettl. E. Heintel gehörte zu den Initiatoren der Österreichischen Hochschulreform. Als Vorsitzender des "Rates für Hochschulfragen" war er maßgeblich an der Ausarbeitung des Allgemeinen Hochschulstudiengesetzes (AHStG) 1966 beteiligt.
In den akademischen Gremien der Universität Wien war E. Heintel unter anderem als Vorsitzender der Senatskommission für volkskundliche Universitätsvorträge tätig, was seinem volksbildnerischen Engagement entsprach, das sich auch in zahlreichen Aktivitäten an Einrichtungen der Erwachsenenbildung äußerte. Er hielt häufig Vorträge im Österreichischen Rundfunk und der Wiener Urania.
1974 Ernennung zum korrespondierenden Mitglied, 1978 zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; E. Heintel war Obmann der "Kommission für Philosophie und Pädagogik".

Von 1964 bis 1990 leitete E. Heintel die wissenschaftlichen Tagungen "Dialog zwischen Ost und West - Westliche und marxistische Philosophie", kurz "Ost-Zwettl" genannt, die - vom Bundesministerium für Wissenschaft subventioniert - alljährlich im Bildungshaus des Stiftes Zwettl stattfanden. Als E. Heintels besonderes Verdienst zu bezeichnen ist sein Engagement für den Austausch zwischen westlichen und marxistischen Philosophen, den er durch Verhandlungen mit den Behörden der kommunistischen Staaten ermöglichte. (Literatur: Manfred Buhr, Das Zisterzienserstift Zwettl als europäische Tagungsstätte. In: Das geistige Erbe Europas, Neapel 1984; Erich Heintel, "Ostzwettl". In: ders., Gesammelte Abhandlungen Bd. 7, Stuttgart 2000, 109ff.)

Tätigkeiten im außeruniversitären Bereich:
Umfangreiche Vortragsreisen im In- und Ausland
Engagement als überzeugter Protestant in österreichischen evangelischen Einrichtungen und als Leiter der "Philosophisch-theologischen Fortbildungskurse für Pfarrer" der Evangelischen Landeskirche Württemberg, erst in Sigmaringen, später im Bildungshaus des Stiftes Zwettl (1966-1996). (Literatur: Helmut Gehrke, Theologie im Gesamtraum der Wirklichkeit. Zur Systematik Erich Heintels = Überlieferung und Aufgabe, hg. von Erich Heintel, Band XX, Wien 1981.)
Auszeichnungen und Ehrungen:
Großes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, 15.11.1965
Silberne Medaille für Verdienste um die Wissenschaft und die Menschheit der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften Prag, 19.12.1968
Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold, 22.5.1978
Verdienstkreuz erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 17.1.1984
Dr. theol. h. c. des Evangelisch-Theologischen Fachbereichs der Universität Hamburg, 15.01.1986
Goldenes Doktordiplom der Universität Wien, 24.09.1986
Großer Preis der Stadt Wien für Geistes- und Sozialwissenschaften, 10.7.1987
Silbernes Komturkreuz des Ehrenzeichens für Verdienste um das Bundesland Niederösterreich, 8.11.1988
Goldene Frantisek Palacky-Medaille für Verdienste um die Entwicklung der Geisteswissenschaften, Tschechoslowakische Akademie der Wissenschaften Prag, 3.10.1989
Überreichung der Johann Albrecht Bengel-Medaille der Evangelischen Landeskirche Württemberg, 9.5.1990
Wissenschafts-Würdigungspreis des Landes Niederösterreich, 26.10.1990

Mitgliedschaften:
Philosophische Gesellschaft Wien (Ehrenpräsident)
Österreichische Collegegemeinschaft (am Aufbau des Forum Alpbach beteiligt)
Österreichische Gesellschaft für Ganzheitsforschung
Allgemeine Gesellschaft für Philosophie in Deutschland (Mitglied des engeren Kreises)
Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung (Mitglied des akademischen Rates)
Internationale Hegel-Vereinigung (als Vertreter Österreichs)
Johann Gottlieb Fichte-Gesellschaft
Kant Gesellschaft


3. Philosophische Positionen:

Erich Heintel entwickelte seine philosophische Systematik nach der Einteilung des Aristoteles in "Theoria, Praxis und Poiesis", betont die Stellung der Philosophie in der "universitas literrarum" in Abgrenzung zu den Einzelwissenschaften, die jede für sich die philosophische Prinzipienwissenschaft impliziert.
Zentral für seine Philosophie ist die von Leibniz so bezeichnete "philosophia perennis", d. h. der Rückbezug auf das Denken der gesamteuropäischen Tradition. Philosophie müsse die Voraussetzungsproblematik allen Wissens und aller Erkenntnis reflektieren, und zwar von empirischer Forschung bis hin zur Theologie. Auch müsse sie Sinn und Grenzen ihres eigenen Vorgehens stets mitbedenken ("universale Sprachkritik").
E. Heintel erkannte durch die Philosophie des Aristoteles die systematische Grenze neuzeitlicher Transzendentalphilosophie, und daraus erwuchs ihm die sein Lebenswerk bestimmende Aufgabe, die - auf der Grundlage des erreichten Problembewusstseins unserer Zeit - notwendige Versöhnung und Vermittlung von traditioneller Ontologie und neuzeitlicher Transzendentalphilosophie, wobei die Unterscheidung der Verstehenshorizonte gewahrt bleiben müsste. Daher ist nach E. Heintel der Mensch in seiner Einheit die "daseiende Transzendentalität". Die Frage nach dem Begriff des Menschen in Humanität und im Totalexperiment gläubiger Existenz wird zuletzt zum innerern Ordnungsprinzip aller seiner philosophischen und theologischen Überlegungen. Die Thematik von "Glauben und Wissen" hat ihn bis zu seinem Tod beschäftigt.
Literatur: Selbstdarstellungen - Über Erich Heintel

Geschichte und System. Festschrift für Erich Heintel zum 60. Geburtstag, hg. v. Hans-Dieter Klein u. Erhard Oeser, Oldenbourg, Wien-München 1972.
Erich Heintel, Philosophie in Selbstdarstellungen, hg. v. Ludwig J. Pongratz, Bd. III, Hamburg 1977.
Josef Derbolav, Erich Heintel. Würdigung im Archives de Philosophie, Bd. 43, Paris 1980, 411-432.
Überlieferung und Aufgabe. Festschrift für Erich Heintel zum 70. Geburtstag, hg. v. Herta Nagl-Docekal, 2 Bde., Wien 1982.
Erich Heintel, Zur Systematik der Philosophie. In: Philosophische Selbstbetrachtungen Bd. 12, hg. v. A. Mercier, Bern - Franfurt/Main - New York 1985, 104-140.
Frank Orlowski, Universale Sprachkritik - Universale Sinnphilosophie. Erich Heintel zum 75. Geburtstag. In: Humane Zukunft, Mannheim 1988, 334-353.
Internationales Symposion „Philosophia perennis“, 23.-28. März 1992. Das Lebenswerk Erich Heintels anläßlich seines 80. Geburtstages. Wiener Jahrbuch für Philosophie XXIV/1992.
"Philosophia perennis". Festschrift zum 80. Geburtstag von Erich Heintel, hg. v. Hans-Dieter Klein u. Johann Reikerstorfer, 2 Bde., Bern - Franfurt/Main - New York 1993.
Kurt Walter Zeidler, Kritische Dialektik und Transzendentalontologie = Studien zum System der Philosophie, Beiheft 1, Bonn 1995, Kapitel 7.


4. Werke:

Auswahl der wichtigsten Werke (Monographien):
Nietzsches "System" in seinen Grundbegriffen. Eine prinzipielle Untersuchung, Leipzig 1939.
Die beiden Labyrinthe der Philosophie. Systemtheoretische Betrachtungen zur Fundamentalphilosophie des abendländischen Denkens, Wien 1968.
Einführung in die Sprachphilosophie, Darmstadt 1972.
Grundriß der Dialektik. 1. Bd.: Zwischen Wissenschaftstheorie und Theologie.- 2.Bd.: Zum Logos der Dialektik und zu seiner Logik, Darmstadt 1984.
Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Versuch einer gemeinverständlichen Einführung in das Philosophieren, Wien 1986.
Die Stellung der Philosophie in der "universitas litterarum", Wien 1990.
Festgabe zum 85. Geburtstag "Silbern leuchten Taubenschwingen". Erich Heintel, Gedichte, St. Pölten 1997.

Die thematische Zusammenfassung der 263 Aufsätze und 234 Rezensionen erfolgte in den neun Bänden der "Gesammelten Abhandlungen", Stuttgart - Bad Cannstadt 1988-2001:
Bd. 1 u. Bd. 2: Zur Fundamentalphilosophie
Bd. 3 u. 4: Zur Theologie und Religionsphilosophie I u. II
Bd. 5: Zur praktischen Vernunft I: Zum Begriff der Freiheit, des Handelns und der Ethik (Anhang I: Vom Wesen des Gemüts; Anhang II: Die Philosophische Bibliothek)
Bd. 6: Zur praktischen Vernunft II: Zum Begriff der Geschichte, der Politik und der Erziehung (Anhang I: Zur österreichischen Hochschulreform; Anhang II:
Kurzgefaßtes für Zeitungen und Zeitschriften)
Bd. 7: Zur Geschichte der Philosophie I: Zur Geschichte der Philosophie in Österreich (Anhang: Erich Heintel – Selbstdarstellung)
Bd. 8: Zur Geschichte der Philosophie II
Bd. 9: Zur Geschichte der Philosophie III

Mündiger Mensch und christlicher Glaube. Aus dem Nachlaß als teilweises Fragment herausgegeben und dabei mit Registern versehen von Stephan Haltmayer und Waltraud Heintel, Frankfurt am Main 2004 = Wiener Arbeiten zur Philosophie, Reihe B: Beiträge zur philosophischen Forschung, hg. v. Stephan Haltmayer, Bd. 8. (Das Buch mit dem Arbeitstitel "Glaube und Wissen" war ursprünglich für die Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt projektiert, wurde jedoch nicht mehr publiziert.)

Ein Gesamtverzeichnis sämtlicher Schriften Erich Heintels (Bücher, Herausgaben, Selbstdarstellungen, Abhandlungen - Aufsätze, Rezensionen) ist unter Heintel_Werkverzeichnis_2005.pdf abrufbar.
GND (Link):http://d-nb.info/gnd/118548581
Web-Hyperlink:http://de.wikipedia.org/wiki/Erich_Heintel