AT-UAW/Akademische Nationen Akademische Nationen, 15. Jh.-19. Jh. (Bestandesgruppe)

Archivplan-Kontext


Identifikationsbereich

Signatur:AT-UAW/Akademische Nationen
Titel:Akademische Nationen
Entstehungszeitraum:15. Jh. - 19. Jh.

Angaben zum Kontext

Verwaltungsgeschichte/Biogr. Angaben:In der Verfassung der mittelalterlichen Universität spielten die "Akademischen Nationen" als selbständige Teilkorporationen der Universitätsgemeinde eine wichtige Rolle. Nach dem Pariser Vorbild sollten in Wien (theoretisch) alle Mitglieder der "universitas magistrorum et scholarium" je nach ihrer regionalen Herkunft in einer der vier Akademischen Nationen immatrikuliert sein, was auch in der Matrikelführung der Rektoren ursprünglich berücksichtigt wurde. Schon im Jahre 1366 legte die Universitätsversammlung in einem Statut die erste Nationseinteilung fest ("Nacio Australis, Nacio Saxonie, Nacio Boemie, Nacio Hungarie"), die sich an Diözesen und Ländern orientierte.

Die endgültige Nationsgliederung erfolgte in Wien im Rahmen der Universitätsreform von 1384, wobei die regionale Zuordnung und die Rangordnung der Nationen festgelegt wurden: 1. Österreichische Nation (Natio Austriaca) Einzugsbereich: Österreichische Erblande, Patriachat Aquileia, Diözesen Trient, Chur und ganz Italien; 2. Rheinische Nation (Natio Rhenensium) Einzugsbereich: Bayern, Schwaben, Elsass, Rheinlande, Franken, Hessen, alle westlichen Länder wie Frankreich, Aragon, Spanien, Navarra, Holland, Flandern, Brabant; 3. Ungarische Nation (Natio Hungarica), Einzugsbereich: Ungarn, Böhmen, Polen, Mähren, alle slawischen und griechischen Länder; 4. Sächsische Nation (Natio Saxonica), Einzugsbereich: Sachsen, Westfalen, Friesland, Thüringen, Meißen, Brandenburg, Preußen, Livland, Litauen, Pommern, Dänemark, England, Irland, Schottland, Schweden, Norwegen. Bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts wies die "Rheinische Nation" die stärktsten Frequenzen auf, an zweiter Stelle lag die "Österreichische Nation", die in der Folge den meisten Zuspruch hatte.

Als Vorsteher der Akademischen Nationen fungierten vier gewählte Prokuratoren, die bis 1848 (!) als Wahlmänner den Rektor als Oberhaupt der Gesamtuniversität wählten. Die Wahl der akademischen Funktionäre erfolgte in einem Nations- und Fakultätsturnus. Auch bei strengen Prüfungen wurden die Examinatoren alternierend nationsweise bestellt. Die Prokuratoren verwalteten das Nationsvermögen, nahmen die Immatrikulationen vor, richteten die jährlichen Patronatsfeste aus, beteiligten sich an Visitationen der Studentenhäuser und waren im Universitätskonsistorium, das gleichzeitig Verwaltungs- und Gerichtssenat der Universitätsgemeinde war, mit Sitz und Stimme vertreten. Sie führten die Akten und Geschäftsbücher, welche die Immatrikulationen sowie Abrechnungen, Sitzungspotokolle und Memorabilien enthalten. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde es üblich, dass die jugendlichen Habsburgischen Erzherzoge bei der Österreichischen und der Ungarischen Akademischen Nation als Ehrenmitglieder auf reich illuminierten Seiten immatrikuliert wurden, wobei sie sich zumeist eigenhändig mit ihrer jeweiligen Devise in das Nationsbuch einschrieben.

An den meisten älteren europäischen Universitäten wurden die Akademischen Nationen schon am Ende des Mitterlalters oder während der Frühen Neuzeit im Zuge der Regionalisierung des Bildungswesens aufgelöst oder bei Neugründungen gar nicht mehr eingerichtet. Die Fakultäten übernahmen die bestimmende Rolle in den hohen Schulen. Lediglich an wenigen Universitäten - wie z. B. in Leipzig und Wien - hielten sich die traditionellen Korporationen bis ins 19. Jahrhundert. Nach der späten Neuordnung der Akademischen Nationen nach "vaterländischen" Gesichtspunkten in Wien im Jahre 1838 (Österreichische, Rheinisch-Slawische, Ungarische und die Italienisch-Illyrische Nation) wurde im Zuge der
Thun-Hohenstein'schen Universitätsreform des Jahres 1849 die Nationsverfassung aufgegeben, die Akademischen Nationen schieden aus dem Universitätsverband aus. Sie wurden danach eine Zeit lang als eigenständige karitativ-katholische Vereine weitergeführt, die sich 1854 im "St. Gregorius-Verein der vier Akademischen Nationen" ein gemeinsames Dach gaben.
Aktenbildner / Provenienz:Vereine, in denen sich die vier Akademischen Nationen nach ihrem Ausscheiden aus der Universität Wien vorerst organisiert hatten (1850 Italisch-Illyrische Nation, 1879 Österreichische Nation, 1881 Rheinisch-Slawische und Ungarische Nation)
Archivierungsgeschichte:Nach der Auflösung der Vereine, in denen sich die vier Akademischen Nationen nach ihrem Ausscheiden aus der Universität Wien vorerst organisiert hatten (1850 Italisch-Illyrische Nation, 1879 Österreichische Nation, 1881 Rheinisch-Slawische und Ungarische Nation) wurden ihre Archive der Universität übergeben.

Angaben zu Inhalt und Struktur

Inhalt:Geschäftsbücher und Akten der Akademischen Nationen der Universität Wien: Natio Austriaca, Natio Rhenensium, Natio Hungarica, Natio Saxonica. Nach der Reform von 1838 gab es die Österreichische, Rheinisch-Slawische, Ungarische und die Italienisch-Illyrische Nation, die im Zuge der Universiträtsreform von 1849 aus dem Universitätsverband ausschieden.
Umfang:27 Kodizes; 6 Schachteln

Informationsbereich

Veröffentlichungen:Zu den Akademischen Nationen in Wien siehe: Franz GALL, The Academic Nations of the University of Vienna. In: Yearbook of the Summer School of the University of Vienna (1963); - DERS., Alma Mater Rudolphina 1365-1965. Die Wiener Universität und ihre Studenten (Wien 1965) , S. 78-89; - Artur GOLDMANN, Die Wiener Universität,m 1519-1740. In: Geschichte der Stadt Wien, hrsg. vom Alterthumsverein zu Wien, Band VI (Wien 1917) 89-93. - Astrid HARHAMMER-STEINDL, Die Ungarische Nation an der Universität Wien, 1453-1711 (phil. Diss., Wien 1980). - Rudolf KINK, Geschichte der kaiserlichen Universität zu Wien. Im Auftrage des k. k. Ministers für Cultus und Unterricht, Leo Grafen von Thun, Band 1-2 (Wien 1854), bes. I/1, S. 60-68; DERS., Mittheilungen aus dem Matrikelbuche der rheinischen Nation bei der k. k. Universität in Wien(Wien 1852); - Kurt MÜHLBERGER, Die Gemeinde der Lehrer und Schüler - Alma Mater Rudolphina. In: Wien. Gescshichte einer STadt, hrsg. von Peter Csendes, Ferdinand Opll (Wien-Köln-Weimar 2001) 319-410, bes.338-342; - Karl SCHRAUF (Hrsg.), Die Matrikel der Ungarischen Nation an der Wiener Universität 1453-1630 (Wien 1902). - Sabine SCHUMANN, Die "nationes" an den Universitäten Prag, Leipzig und Wien. Ein Beitrag zur älteren Universitätsgeschichte (phil. Dissertation, Freie Universität Berlin 1974); - Astrid STEINDL, Die Akademischen Nationen an der Universität Wien. In: Aspekte der Bildungs- und Universitätsgeschichte. 16.-19. Jahrhundert (= Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Universität Wien, 7. Band, 1993). - DIES., Der Student im Rahmen der frühen Universitätsgeschichte - Nationen und Bursen. In: Gaudeamus igitur. Studentisches Leben einst und jetzt. Ausstellung, Schallaburg 1992 (= Katalog des NÖ Landesmuseums N. F. 296, Wien 1992), S. 15-23. - Wolfgang Eric WAGNER, Von der „natio“ zur Nation? Die „nationes“-Konflikte in den Kollegien der mittelalterlichen Universitäten Prag und Wien im Vergleich. In: Mensch - Wissenschaft - Magie. Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte 20 (Wien 2000) 141-162.
Ungedr. Manuskript im UAW (s. unten "Dateien"): Kurt MÜHLBERGER, Relikte aus dem Mittelalter: Die "Akademischen Nationen" im Rahmen der neuzeitlichen Universitätsgeschichte. Mit einem Exkurs zur Natio Hungarica Universitatis Vindobonensis (Vortrag im Rahmen der Konferenz "Österreichisch-Ungarische Beziehungenb im Bereich des Hochschulwesens und der Forschung des 18. bis 20. Jahrhunderts an der Expositur der Kodolányi János Hochschule Székesfehérvár/Stuhlweissenburg in Fürstenfeld/Steiermark am 9. Mai 2008).
 

Dateien

Dateien:
  • Mühlberger, Nationen Vortrag Fürstenfeld Mai 2008.pdf
 

URL für diese Verz.-Einheit

URL:https://scopeq.cc.univie.ac.at/query/detail.aspx?ID=63
 

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